Eine Formel für ein biologisch wirksames Parfüm

Max-Planck-Forscher knacken den Geruchscode für die Partnerwahl und synthetisieren erstmals ein biologisch wirksames Parfüm

23. Januar 2013

Der individuelle Körpergeruch spielt eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl. Über den Körpergeruch erhalten Menschen, Mäuse, Fische, Vögel und wahrscheinlich auch alle anderen Wirbeltiere Informationen über die Immunausstattung eines potenziellen Partners. Dieser wird danach ausgewählt, ob er die optimale Ergänzung zu den eigenen Immungenen anbietet. Ziel ist es, den Nachkommen möglichst unterschiedliche Immungene mitzugeben, so dass diese dann resistent gegen ein breites Spektrum von Krankheitserregern sind. Obwohl bei Menschen insgesamt viele hundert verschiedene Formen der Immungene vorkommen, besitzt jeder Mensch nur einige wenige Varianten, die aber den typischen Körpergeruch, das individuelle “Parfüm” mitbestimmen. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und für Evolutionsbiologie in Plön haben nun zusammen mit Kollegen der Universität Dresden die chemische Natur dieses individuellen Parfüms beim Menschen aufgeklärt, es synthetisiert und bei Probandinnen auf ihre Wirksamkeit überprüft. Die Resultate zeigen, wie Parfüms mit voller biologischer Wirksamkeit ohne Rückgriff auf tierische Produkte synthetisch hergestellt werden können.

Schon in den 1990iger Jahren hatte die Gruppe von Manfred Milinski, jetzt Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön, mit sogenannten T-Shirt Experimenten herausgefunden, dass Frauen den Geruch von Männern bevorzugen, die andere Varianten von Immungenen besitzen als sie selbst. „Wir erfassen unbewusst, wie die eigene Immunabwehr beschaffen ist, und können die eines potenziellen Partners am Geruch erkennen“, erklärt Milinski.

Forscher gehen davon aus, dass die Wahrnehmung nicht nur von Körpergerüchen, sondern auch von Parfüms bei der sexuellen Kommunikation eine Rolle spielt. Immerhin werden Parfüms schon seit über 5000 Jahren eingesetzt.

In weiteren Experimenten konnte der Forscher dann zeigen, dass diese Immungen-Varianten auch bestimmen, welche natürlichen Parfümingredienzien Frauen wie Männer für ihr eigenes Parfüm bevorzugen. In der Auswahl des eigenen Parfüms sind Menschen von alters her sehr wählerisch, brauchen lange, bis sie es gefunden haben, und bleiben dann viele Jahre dabei. Das Parfüm wird so ausgewählt, das es das eigene immungenetische Geruchssignal verstärkt. „Wenn sie das natürliche Signal maskieren oder verändern würden, hätte die Selektion uns schon längst den Parfümgebrauch vermiest“, erklärt der Evolutionsbiologe.

Offenbar enthalten natürliche Parfümingredienzien chemische Nachahmer des menschlichen immungenabhängigen Geruchssignals. Das erklärt, warum sie oft sonderbaren Ursprungs sind. So wird z.B. Ambra aus den hervorgewürgten Resten der Beute des Pottwals hergestellt. Da natürliche Ingredienzien wegen ihrer allergenen Wirkung immer mehr durch biologisch unwirksame Ersatzstoffe ersetzt werden müssen, wäre es hilfreich, unser natürliches Parfüm zu analysieren, so dass man es synthetisieren und als “Original” in Parfüms verwenden kann. Welches Molekül könnte die Funktion des menschlichen natürlichen Parfüms übernehmen?

In Versuchen mit Mäusen war es der Arbeitsgruppe von Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern gelungen, biologisch wirksame Bestandteile des immungen-abhängigen Körpergeruchs zu identifizieren (http://www.mpg.de/493416/) – und zusammen mit seinem Kollegen Manfred Milinski diesen Mechanismus auch bei Fischen nachzuweisen (http://www.mpg.de/502897/).

Die Sinneszellen der Riechschleimhaut sind tatsächlich in der Lage, bestimmte Eiweißbruchstücke, Peptide genannt, zu erkennen. Sie liefern dem Immunsystem normalerweise Hinweise auf das Eindringen von Krankheitserregern – sind aber zugleich ein Spiegelbild der individuellen Ausstattung mit Immungenen. Das hängt mit dem Erkennungsmechanismus im Immunsystem zusammen: Die von Bakterien, Viren oder Parasiten stammenden Eiweißbruchstücke werden von sogenannten MHC-Molekülen gebunden. Jene Moleküle, die durch die verschiedenen Immungen-Varianten kodiert werden. „Der Erkennungsmechanismus funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, d.h. zu jedem MHC-Molekül gibt es passende Eiweißbruchstücke. Da es also bestimmter MHC-Moleküle bedarf, um bestimmte Peptide zu erkennen, spiegelt das Spektrum von Peptiden, das nach "außen" gelangt, auch das Spektrum von MHC-Molekülen wider“, erklärt Thomas Boehm. Damit hatten die Forscher den Geruchscode geknackt. Die Struktur der Eiweißbruchstücke lässt sich für die Immunmoleküle des Menschen also voraussagen.

Die Forscher konnten nun in ihrem aktuellen Experiment die Bestandteile des Körpergeruchs künstlich herstellen und auf Wirksamkeit überprüfen, nachdem sie die Art der Immungen-Varianten bei Probandinnen bestimmt hatten. Dazu wurden diese gebeten, die künstlichen Eiweißbruchstücke mit ihrem Achselschweiß zu vermischen und zu entscheiden, welche der verschiedenen Varianten ihnen am meisten zusagte. Es zeigte sich, dass die Probandinnen den Achselschweiß dann als besonders angenehm und ihrem bevorzugten Parfümduft entsprechend bezeichneten, wenn er mit einem ihrem eigenen Immungen-Typ entsprechenden Eiweißbruchstück vermischt worden war.

In Zusammenarbeit mit Forschern der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität Dresden überprüften sie, ob und in welchem Bereich sich die Geruchsempfindungen im Gehirn nachweisen ließen. Die Arbeitsgruppe um Ilona Croy und Thomas Hummel applizierte dazu synthetische Eiweißbruchstücke eigener oder fremder Art und bestimmten die Wirkung in einem Magnetresonanztomografen. Erstaunlicherweise sprach immer dann ein kleines, im mittleren Bereich der rechten vorderen Hirnrinde gelegenes Areal an, wenn die Probandin ein Eigenpeptid roch.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass die von den Immunmolekülen transportierten Eiweißbruchstücke nicht nur bei Tieren, sondern tatsächlich auch beim Menschen den natürlichen Körpergeruch mitbestimmen“, sagt Manfred Milinski. Die Erkenntnisse eröffnen die Möglichkeit, neuartige Parfüms herzustellen, die über die Verstärkung des Körpergeruchs potenziellen Partnern das Repertoire der eigenen Immungene besser signalisieren. „Damit könnte künftig möglicherweise in klassischen Parfüms auf Ingredienzien tierischen Ursprungs verzichtet werden“, so der Max-Planck-Direktor.

mm/cb

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