Haneul Yoo

Über Pol II-Kondensate in Muskelzellen und das Kuscheln von Pinguinen

Haneul Yoo ist Postdoc im Labor von Ibrahim Cissé am MPI-IE. Entdecken Sie ihren Weg zur Wissenschaft - von einer Künstlerfamilie zur Biochemie und Biophysik - und ihre Ansichten über das Lesen von wissenschaftlichen Arbeiten.

Erzählen Sie uns ein wenig über Ihr Forschungsprojekt hier am MPI-IE.

Zurzeit bin ich in verschiedene Projekte involviert, aber das, auf das ich mich jetzt hier konzentrieren möchte, ist die Untersuchung der Beziehung zwischen Pol II-Clustern und der Genregulation in Muskelvorläuferzellen während der Muskelentwicklung. Die Differenzierung von Muskelvorläuferzellen wird seit Jahrzehnten sorgfältig untersucht und es ist viel bekannt wie dieses System funktioniert, insbesondere welche genetischen Elemente beteiligt sind. Nicht so bekannt ist aber wie diese genetischen Elemente dynamisch mit Pol II-Clustern interagieren, um die Genexpression zu regulieren. Und genau das möchte ich mit modernster Live-Cell-Imaging-Mikroskopie im Labor herausfinden.


Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, was hat Sie inspiriert, Wissenschaftlerin zu werden?

Ich hatte keinen zentralen Moment, an dem ich dachte: „Oh, ich möchte Wissenschaftlerin sein.“ Es war mehr eine kontinuierliche Erkundung und Suche. Meine Eltern haben beide Malerei studiert und ich hatte keine Wissenschaftlerinnen in der Familie. Trotzdem war ich in den Naturwissenschaften immer gut und Chemie hat mir gefallen. Biologie hat mich aber am meisten fasziniert. Im Chemie- oder Physikunterricht lernt man bestimmte Grundregeln auswendig und wendet diese Regeln dann an, um kompliziertere Probleme zu lösen. In der Biologie schien es solche Regeln jedoch nicht zu geben. Die Biochemie reizte mich dann, weil sie die Biologie auf molekularer Ebene untersucht, also auf der Ebene der Chemie. Dann musste ich mir überlegen, welchen Beruf ich mit einem Biochemiestudium ergreifen kann. Ich war damals ein sehr schüchterner Mensch und dachte naiv, wenn ich Forscherin werde, kann ich allein in einem weißen Raum mit einem weißen Kittel arbeiten, eine Arbeit schreiben, sie veröffentlichen und das wars. Also begann ich in ein Forschungslabor und lernte schnell, dass meine naiven Erwartungen falsch waren. Aber zu meinem Glück waren die Leute, die ich in diesem Labor kennenlernte, alle sehr nett und lustig. Sowohl meine erste Gruppenleiterin als auch meine Promotionsmentorin waren Wissenschaftlerinnen, die sich super um die Betreuung kümmerten und sehr geduldig mit mir waren. Die Arbeit in einem solchen Umfeld hat einfach Spaß gemacht und sich gelohnt, und so bin ich in der Wissenschaft geblieben, und jetzt bin ich hier.

Was ist Ihr Rat für die Wahl eines guten Labors, um Ihre Forschungskarriere zu beginnen?

Ich denke, was ein gutes Labor ist, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Deshalb muss man zunächst einmal selbst darüber nachdenken, was man will. Für mich ist ein gutes Labor ein Ort, an dem jeder respektiert wird, unabhängig von seiner Erfahrung oder Position. Wenn die Möglichkeit besteht vor dem Start im Labor an einer Laborbesprechung teilzunehmen, sollte man darauf achten, wer während der Besprechung redet und Fragen stellt. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, wenn Studierende Fragen stellen, denn es bedeutet, dass sie sich wohl fühlen, wenn sie ihre Gedanken der Gruppe mitteilen können. Wenn man gerade erst anfängst, ist es meiner Meinung nach auch wichtig, dass man sich einem Labor anschließt, in dem es Leute gibt, die einen ausbilden wollen und betreuen können.

Wenn Sie über Ihre übliche Arbeitswoche nachdenken, welche der verschiedenen Aufgaben mögen Sie in der Wissenschaft am meisten?

Ich lese wahnsinnig gern Artikel in Fachzeitschriften. Meistens lese ich Arbeiten aus meinem Fachgebiet, um zu lernen und mein Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten. Aber ich lese auch gerne Arbeiten außerhalb meines Fachgebiets, weil ich finde, dass es einfach so viele, interessante wissenschaftliche Themen gibt und ich neugierig bin. Eine meiner akutellen Lieblingsveröffentlichungen ist zum Beispiel eine Arbeit von Physiker:innen, die das Kuschelverhalten von Kaiserpinguinen untersuchen und dabei ein Phänomen entdeckten, das einem physikalischen Phasenübergang ähnelt. Das Team reiste in die Antarktis und nahm Videos von Kaiserpinguinen auf. Sie berechneten die von den Pinguinen empfundene Temperatur und zeichneten auf, wie sehr sich die Pinguine in Abhängigkeit von Temperatur zusammenkauern. Dann wendeten sie das Konzept des Phasenübergangs an, um zu erklären, wie sich die Pinguine bei Wärme wie Moleküle in der Gasphase verhalten und wie sie sich bei großer Kälte zu einer sehr kompakten Kolonie zusammenschließen, wie Moleküle in der festen Phase. Ich finde das wirklich sehr cool und kreativ. Ich lese auch deshalb gern außerhalb meines Fachgebiets, weil ich glaube, dass eine breite Lektüre mir hilft, in der Wissenschaft kreativ zu bleiben.

Sie sind neu in Deutschland. Was waren die größten Herausforderungen beim Start? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Eine der größten Herausforderungen seit meinem Umzug hierher war die Wohnungssuche, obwohl ich glaube, dass es momentan für alle schwierig ist in Freiburg eine Wohnung zu finden. Es ist eine Herausforderung, in einem fremden Land zu leben, dessen Sprache man nicht wirklich beherrscht. Aber ich glaube, dass ein Mensch am meisten wächst, wenn er herausgefordert wird, also sehe ich es eher als eine Chance zu lernen und als Person zu wachsen. Ich bin mich jetzt mehr oder weniger angekommen und kann besser Deutsch sprechen. In meiner Freizeit reise ich gerne. Ich lese auch gerne nur zum Spaß. Vor kurzem bin ich einem Online-Buchclub beigetreten, wo ich andere Koreaner:innen treffen kann, die in Deutschland leben. Da ich bei der Arbeit meistens Englisch mit anderen Wissenschaftler:innen spreche, ist es sehr erfrischend, mit Leuten, die keine Wissenschaftlerinnen sind, Koreanisch zu sprechen und über all die Bücher zu reden, die wir mögen.

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