Ulrike Boenisch

Manchmal ergibt sich der Weg in die Wissenschaft einfach von selbst

Lesen Sie mehr über Ulrike Bönischs Geschichte. Lernen Sie ihre vielfältigen Aufgaben als Leiterin unserer Tiefensequenzierungseinheit kennen - von der Qualitätskontrolle und Fehlersuche bis hin zur Einführung neuer Technologien. Erfahren Sie, wie sie es als Quereinsteigerin geschafft hat, Karriere zu machen - von der Tochter eines Landwirts bis hin zur technisch versierten Wissenschaftlerin. Erfahren Sie auch, wie wichtig es ist, mit dem technologischen Fortschritt durch Zusammenarbeit Schritt zu halten, um eine hochspezialisierte Forschungseinheit erfolgreich durch die dynamische Forschungslandschaft der Genomik zu navigieren.

Könnten Sie uns kurz Ihre Rolle als Laborleiterin der Deep Sequencing Facility erläutern? Was sind Ihre Hauptaufgaben?

Lassen Sie mich mit einer kleinen Vorbemerkung beginnen. Alles, was wir hier tun, ist eine echte Teamleistung, zusammen mit meinem Team und dem Team der Bioinformatik. Meine konkrete Rolle ist vielfältig. Sie beginnt damit, dafür sorgen, dass unsere Facility in bestem Zustand ist und wir alles haben, was wir brauchen. Wir konzentrieren uns darauf, der Forschung den besten Zugang unserem Sequenzierservice zu ermöglichen. Und wir bearbeiten relevanten Fragestellungen und Technologien mit maßgeschneiderten Arbeitsabläufen in einem serviceorientierten Ansatz. Eine der Herausforderungen besteht darin, hochpräzise Ergebnisse zu liefern. Im Laufe der Jahre haben wir ein umfassendes Netz von Qualitätskontrollmaßnahmen entwickelt, die wie ein Alarmsystem funktionieren und Probleme schnell erkennen. Das ist ein weiteren wichtiger Teil der Arbeit: Fehlersuche. Wir gehen Problemen Schicht für Schicht auf den Grund, egal ob sie Daten, Hardware, Software, Arbeitsabläufe oder Proben betreffen. Das hält uns immer auf Trab. Aber jedes Problem, das wir lösen, lehrt uns etwas Neues und bringt uns weiter. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist auch die ständige Interaktion und der Dialog mit den Forscherinnen und Forschern. Wir fragen regelmäßig nach: Was braucht ihr jetzt? Wie sieht die Zukunft aus? Das führt zu strategischen Diskussionen, in welche Technologien wir investieren sollten. Wir wollen an der Spitze bleiben und sicherstellen, dass wir über die neuesten Werkzeuge verfügen, um die besten Datensätze zu produzieren. Die Implementierung neuer Technologien ist jedoch ein anstrengender und meist langwieriger Prozess, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung von Vorschriften. Trotz das wir schnell und wettbewerbsfähig sein wollen, dauert es in der Regel etwa zwei Jahre, um Fördermittel zu erhalten, Geräte zu beschaffen und zu installieren.

Können Sie einen typischen Workflow skizzieren, den Sie in Ihrer Facility anbieten?

Auf den ersten Blick scheint es einfach zu sein – ein klassisches Input-Output-Szenario. Probe rein, Daten raus. Aber in der Wirklichkeit handelt es sich oft um einen nuancierteren sequentiellen Prozess, vor allem wenn es um komplexe biologische Frage geht. Wir produzieren nicht einfach Daten, sondern passen unsere Workflows an die spezifischen Forschungsfragen an. Man kann es sich so vorstellen: Es gibt eine biologische Fragestellung und wir beginnen mit der Zusammenarbeit zwischen den Forscherinnen, meinem Team und der Bioinformatik. Gemeinsam ermitteln wir, welcher Datensatz am besten geeignet ist, um die Fragestellung eigentlich zu beantworten. Dann bekommen wir, sagen wir mal, eine DNA-Probe. Aber bevor wir sie durch unsere Analysegeräte laufen lassen können, gibt es eine umfassende Qualitätskontrollroutine, um sicherzustellen, dass die Probe richtig vorbereitet ist. Wir müssen sie so aufbereiten, dass sie den technischen Spezifikationen unserer Geräte entspricht und in Bezug auf Länge oder Menge optimal vorbereitet ist. Sobald die Daten analysiert und digitalisiert sind, werden sie verpackt und über Server verschickt, wo sie einer weiteren Qualitätskontrolle unterzogen werden, bevor sie den oder die Endnutzerin erreichen. Manchmal finden sie die Antworten bereits in den Daten, in anderen Fällen müssen sie uns zusätzliche Proben zur weiteren Analyse schicken.

Können Sie beschreiben, wie Sie Leiterin einer Forschungseinheit für Tiefensequenzierung wurden?

Rückblickend betrachtet, bin ich in diese Rolle hineingestolpert. Genomik war nicht mein Fachgebiet; ich habe es sozusagen erst „on the fly“ gelernt. Mein Hintergrund lag eher in der Technologie, nicht in diesem speziellen Zweig der Biologie. Das war vor etwa 15 Jahren, als die ganze Sequenzierungs- und Genomikszene gerade in Schwung kam. Damals, während meiner Doktorarbeit, habe ich in einem Kooperationsprojekt vonUniversitätsklinikum und dem damaligen Institut für Mikrosystemtechnik in Freiburg an sogenannten Microarrays gearbeitet. Die Technologie zur Herstellung von Microarrays war damals das Tool zur Durchführung von Transkriptomik oder Genomik. Heute nutzt aber kaum noch jemand diese Technologie. Nach meiner Promotion gab es den entscheidenden Moment, als Thomas Jenuwein als neuer Direktor an das Max-Planck-Institut kam und plante, eine Bioinformatik- und Sequenziereinheit aufzubauen. Er brauchte jemanden, der sich mit Technik auskannte, und ich war gewissermaßen genau die Richtige. Also starteten wir bei Null. Es gab hier buchstäblich nichts, und wir bauten die Einrichtung von Grund auf. Nach und nach arbeitete ich mich in das Gebiet der Genomik ein und erweiterte stetig mein Wissen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, glaube ich nicht, dass es heute noch genauso ablaufen würde. Man bräuchte wahrscheinlich von Anfang an einen solideren Hintergrund in der Genomik. Aber hey, damals war es noch möglich, eine solche Stelle als Quereinsteigerin anzutreten.

Es gibt eine Menge technologischer Fortschritte in diesem Bereich, wie halten Sie damit Schritt?

Ja, das ist noch einfach. Aber ich mache das nicht alleine, es ist eine gemeinsame Anstrengung, vor allem wenn es um die Anschaffung von Sequenziergeräten geht. Bei der begrenzten Anzahl von Anbietern auf dem Markt gibt es viel Interaktion und Unterstützung. Das macht alles etwas einfacher. Außerdem gibt es ein Netzwerk mit anderen Forschungseinheiten in Tübingen, Berlin oder am EMBL in Heidelberg. Wir tauschen Informationen und Erfahrungen aus, vergleichen Investitionen und Strategien. Dieser kollegiale Ansatz hilft uns, hier unsere Position einzuschätzen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Und ich kann vergleichen, ob wir auf dem gleichen Stand sind und sehen, in was die anderen investieren und warum. Außerdem profitieren wir von einer Fülle von Erkenntnissen und Perspektiven innerhalb unserer eigenen Gruppen: der Bioinformatik und Tiefensequenzierung. Wir sind auch mit der breiteren Forschungsgemeinschaft vernetzt, wo Diskussionen oft zu Innovationen führen. Als zum Beispiel der Übergang vom short-read zum long-read sequencing vollzogen wurde, haben wir schnell reagiert, um sicherzustellen, dass wir auch umfassende Analysen anbieten können. In einigen Fällen orientieren wir uns auch an den Interessen und Initiativen bestimmter Forschungsgruppen am MPI. Wir sind bestrebt, eine hochmoderne Einrichtung zu bleiben, was bedeutet, dass wir uns ständig weiterentwickeln und an neue Trends anpassen müssen.

War Ihnen schon immer klar, dass Sie Wissenschaftlerin werden wollen oder jemand, der mit modernster Technik forscht?

Ich stamme nicht aus einer akademischen Familie, beide Elternteile waren Landwirte. Aber anstatt in deren Fußstapfen zu treten, habe ich das Gymnasium besucht und später Ernährungswissenschaften studiert. Dabei hat mich der wissenschaftliche Teil der Ernährungswissenschaft gefessekt, nicht so sehr die praktische Seite der Ernährung. Vor allem Biologie und Biochemie faszinierten mich. Schließlich entschied ich mich für eine Promotion, aber nicht in der Ernährungswissenschaft, sondern deren  molekularbiologischen und technologischen Grundlagen. Das war hier in Freiburg. Am Ende hat mich dann die technische Seite mehr gereizt als die großen wissenschaftlichen Fragen. Es ging mir darum, präzise Antworten zu bekommen, die Technik einzusetzen und Ergebnisse zu erzielen. Und dieses ganze wissenschaftliche Abenteuer zum Beruf zu machen – das war sicher nicht das, was meine Eltern für mich geplant hatten, wenn man unseren familiären Hintergrund betrachtet. Es hat sich einfach Schritt für Schritt so ergeben. Ich finde es oft interessant, wenn ich mich mit anderen unterhalte, die offenabr schon immer eine klare Vorstellung davon hatten, was sie machen wollen. Bei mir war das nicht der Fall. Mein Weg hat sich sozusagen von selbst ergeben. Aber ich bin sehr froh, dass es sich so ergeben hat, gerade hier am Institut, weil das Gesamtpaket so gut passt. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu sein oder etwas anderes zu machen.

Wenn du in die Vergangenheit zurückkehen und deinem jüngeren Ich einen Ratschlag geben könntest, was würdest du dann sagen?

Wenn ich über meine eigenen Erfahrungen als Doktorandin nachdenke und die jungen IMPRS-Studierenden beobachte, denke ich oft: „Sie haben eine kluge Entscheidung getroffen, als sie sich für ein strukturiertes Promotionsprogramm entschieden haben“. Auf meinem eigenen Weg bin ich oft in Situationen ohne klare Richtung gestolpert bin, was dazu geführt hat, dass sich meine Promotion auf sechs Jahre verlängert hat, weil es schlicht an strukturierter Unterstützung und Mentoring mangelte. Im Vergleich dazu haben diese Studierenden einen Weg gewählt, der organisierte Betreuung und Zusammenarbeit innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens bietet. Dieser strukturierte Ansatz erleichtert ihnen nicht nur den akademischen Weg, sondern stellt auch sicher, dass sie die Herausforderungen nicht alleine bewältigen müssen. Angesichts dessen wünschte ich, ich hätte bei der Auswahl meiner Möglichkeiten mehr Zeit genommen und nach solche Programmen Ausschau gehalten, die mehr als nur eine Stelle boten, sondern auch Mentoring, Unterstützung und einen definitiven Endpunkt. Man muss früh sicherstellen, dass man schnell wertvolle Erfahrungen sammelt und nicht zu lange im Doktoratsstudium verbleibt, ohne klare Fortschritte zu machen. Wenn ich meinem jüngeren Ich einen Rat geben könnte, dann wäre es, sich ein Umfeld zu suchen, wo man natürlich es beiträgt, aber auch eine bereichernde Gegenleistung erhält, und so eine Karrierefalle mit langem Aufenthalt ohne Weiterentwicklung vermeidet.

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