Neuer Gruppenleiter: Ayele Argaw Denboba

Forschungsgruppe untersucht die Interaktion zwischen Darmmikrobiota und Epigenetik während der Entwicklung des frühen Lebens

7. September 2023

Ayele Argaw Denboba ist der neueste Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg. Er leitet eine unabhängige Forschungsgruppe, die sich mit der Erforschung von Mikrobiom-Epigenom-Interaktionen in der frühen Lebensphase beschäftigt. Das Denboba möchte die epigenetischen Mechanismen identifizieren, die vom Darmmikrobiom vermittelt werden und Zellfunktionen steuern und sogar intergenerationale Effekte haben können. Das Labor ist im August 2023 gestartet.

Der Darm ist von Billionen von Mikroben besiedelt, die als Mikrobiota bezeichnet werden. Sie helfen dem Wirt bei der Verdauung der Nahrung, beeinflussen neurologische Reaktionen oder schützen vor Krankheitserregern. Interessanterweise regulieren chemische Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikrobiota Prozesse im Gewebe und den zellulären Stoffwechsel. So ist beispielsweise bekannt, dass Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmmikrobiota Gesundheit und Krankheit beeinflussen, indem sie epigenetische Veränderungen wie DNA-Methylierung oder Histonmodifikationen auslösen.

Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, wie die Mikrobiota die zellulären und molekularen Reaktionen der somatischen Wirtszellen beeinflusst. Ob diese mikrobiota-epigenetischen Wechselwirkungen jedoch auch für Keimzellen und deren Bildung relevant sind oder sogar über Generationen hinweg übertragen werden, blieben bislang offene Fragen.

Das neu gegründete Labor von Ayele Argaw Denboba am Max-Planck-Institut in Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, genau diese Fragen zu beantworten. „Die Darmmikrobiota produziert eine Vielzahl von Biomolekülen, darunter auch solche, die als Substrate, Kofaktoren oder Regulatoren epigenetischer Enzymaktivitäten fungieren. Wie die Darmmikrobiota und ihre Stoffwechselprodukte die epigenetischen Mechanismen bei Säugetieren in der frühen Lebensphase beeinflussen, ist noch weitgehend unerforscht“, sagt Ayele Argaw Denboba.

Interaktionen zwischen Mikrobiota und Epigenom bei der Programmierung im frühen Leben

Das Denboba-Labor will die regulierende Rolle der Darmmikrobiota in der Gametogenese und Embryogenese aufklären. Das Team nutzt dafür eine breite Palette modernster Forschungsansätze aus den Bereichen Mikrobiom und Epigenetik und will herausfinden, ob diese mikrobiomvermittelten epigenetischen Effekte über Generationen hinweg weitergegeben werden. „Dazu müssen wir die Darmmikroben und ihre Stoffwechselprodukte identifizieren, um die chemischen Wechselwirkungen zu verstehen, die die Chromatinfunktion regulieren", erklärt Ayele Argaw Denboba.

Diese Forschung ermöglicht nicht nur zu einem besseren mechanistischen Verständnis der Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung der Mikrobiota und den epigenetischen Veränderungen bei der Regulierung der Keimzellen führen, sondern könnte auch das Gebiet der Reproduktionsbiologie bereichern. Denn potentiell bietet sie neue Ansätze zur Entwicklung prädiktiver diagnostischer Marker für ungünstige Schwangerschaftsausgänge und für die Formulierung mikrobieller Nahrungsergänzungsmittel zur Prävention von Gesundheitsrisiken über die Generationen hinweg.

 

Interview

Ayele Denboba im Gespräch: Fragen an den neuen Gruppenleiter am MPI-IE

Hallo Ayele, herzlich willkommen am MPI hier in Freiburg. Gerne möchten wir mehr über Sie und Ihre Forschung erfahren. Was ist Ihr Arbeitsgebiet, und wie haben Sie es in den letzten Jahren entwickelt?

Mein Labor erforscht die Interaktion zwischen dem Mikrobiom des Darms und der Epigenetik – mit einem spezifischen Fokus auf die frühe Phase des Lebens, also während der Entstehung befruchtungsfähiger Eizellen und Spermien bzw. während der Entstehung des Embryos. Die im Darm lebenden Mikroorganismen beeinflussen über ihre Stoffwechselprodukte wie die Gene in den Zellen reguliert werden. Wir wollen unter anderem diese Stoffwechselprodukte identifizieren und herausfinden wie sie das Chromatin, also die Verpackung der DNA modifizieren und so die Aktivität der Gene. Dieses Projekt geht auf meine Postdoc-Forschungsarbeit zurück, in der ich versucht habe, den Einfluss des Darmmikrobioms auf die männliche Keimbahn sowie die späteren Auswirkungen auf die Nachkommen zu verstehen. In dieser Studie haben wir bisher unbekannte intergenerationale Mechanismen entdeckt, die sich über die Darm-Keimbahn-Plazenta-Achse ausbreiten.

Ihre Forschung schlägt also eine Brücke zwischen Epigenetik und Mikrobiom. Bitte erzählen Sie uns mehr über die Fragen, die Ihr Labor zu beantworten versucht.

Die Darmmikrobiota spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Wirtsphysiologie und agiert an der Schnittstelle von Wirt-Umwelt-Interaktionen, aber ihr Einfluss auf die epigenetische Vererbung und die frühe Lebensprogrammierung ist noch weitgehend unerforscht. Mein Labor zielt darauf ab, die folgenden Schlüsselfragen zu beantworten.

  • Entschlüsselung der regulatorischen Rolle der Darmmikrobiota während der Bildung von Eizellen und Spermien
  • Bestimmung des Einflusses der elterlichen Darmdysbiose, d.h. ein mögliches Ungleichgewicht der Darmflora, auf die epigenetische Vererbung
  • Identifizierung der Darmmikroben und ihrer Stoffwechselprodukte, die die Chromatinfunktion regulieren

Die Themen sind sehr vielfältig: das Mikrobiom im Darm, Chromatinregulierung, epigenetische Vererbung und chronische Krankheiten. Wann haben Sie begonnen, sich für diese Themen und ihre Synthese zu interessieren?

In meiner Doktorarbeit untersuchte ich die Rolle abnormal aktivierter Retrotransposons bei der Krebsentstehung. Während dieses Projekts lernte ich die komplexen Zusammenhänge der Krebsentstehung und des Tumorwachstums kennen und erfuhr von den vielen Bemühungen und Ansätzen, Krebspatienten zu heilen – mit oft nur unbefriedigenden Ergebnissen. Mit der Zeit interessierte ich mich immer stärker für die Faktoren der Krebsentstehung, die jenseits der Genetik zu suchen sind. Auch stellte ich fest, dass die Häufigkeit schon früher im Leben an Krebs zu erkranken zunimmt. Es ist bemerkenswert, dass auch andere chronische Krankheiten einem ähnlichen Trend folgen und sich weitgehend nicht durch genetische Risikofaktoren erklären lassen. Damit änderte sich mein Forschungsinteresse von der Erforschung bösartiger Tumore hin zur Erforschung der intergenerationalen, veränderbaren Gesundheitsrisikofaktoren.

Diese Erkenntnis veranlasste mich, ein Postdoc-Projekt an der Schnittstelle von epigenetischer Vererbung und dem Mikrobiom zu entwickeln. Es zielte darauf ab, eine Verbindung zwischen der Interaktion von elterlichem Darmmikrobiom und Keimbahn sowie der Gesundheit der Nachkommen herzustellen. 2018 habe ich dieses interdisziplinäre Postdoc-Projekt unter der Leitung von Dr. Jamie Hackett (EMBL Rom) und Prof. Dr. Peer Bork (EMBL Heidelberg) begonnen, das durch das EMBL-Marie Curie Action EIPOD-Stipendienprogramm kofinanziert wurde.

Welche Technologien setzen Sie ein, um Ihre Forschungsfragen zu beantworten? Und welchen Modellorganismus nutzen Sie?

Wir setzen natürlich auf die neuesten Technologien aus der Mikrobiomforschung und Epigenetik. Unser Ansatz integriert Hochdurchsatz-Zellkultursysteme und Mausmodelle mit modernster Culturomics und Multiomics sowohl in Massen- als auch Einzelzell-Auflösung. Wir werden spezifisch keimfreie Mäuse nutzen, um die epigenetische Programmierung unter verschiedenen mikrobiellen Zuständen des Darms zu untersuchen, wie z. B. die Monokolonisierung mit spezifischen Bakterienarten, die z.B. als Methyl- und Acetyl-Donatoren fungieren.

Noch ein etwas persönlichere Frage: Was hat Sie dazu inspiriert, Wissenschaftler zu werden?

Seit meiner Kindheit habe ich mich dafür begeistert, Lösungen für Probleme zu finden. Ich wollte herausfinden, wie Dinge funktionieren, und das war immer mit dem Interesse verbunden, anderen zu helfen. Während meiner Schulzeit in Äthiopien haben mich die Themen Evolution und Gentechnik stark fasziniert. Als ich die Geschichte von Dolly las, dem Schaf, das als erstes Säugetier erfolgreich aus einer erwachsenen Zelle geklont wurde, inspirierte mich das sehr, Wissenschaftler zu werden. Trotz meines Wunsches, in die Wissenschaft zu gehen, war ich mir damals nicht sicher, welchen Berufsweg ich einschlagen sollte. Das änderte sich, als ich mein Medizinstudium begann. Durch meine Kindheit und meine Zeit an der Universität in Afrika habe ich einen intensiven Einblick in chronische Krankheiten und die damit verbundene schlechte Lebensqualität der Patienten bekommen. Dieses Wissen aus erster Hand hat mein wissenschaftliches Interesse entscheidend geprägt und mich dazu inspiriert, die Ursachen der Anfälligkeit für chronische Krankheiten zu erforschen.

Verraten Sie uns zum Schluss noch einen interessanten Fakt über sich, den wir nicht aus Ihrem Lebenslauf erfahren.

Neben meinen wissenschaftlichen Kerninteressen interessiere ich mich auch für die Themen Planetary Health und künstliche Intelligenz. Als Hobby betreibe ich Langstreckenlauf und Radfahren – ich freue mich schon den Schwarzwald zu erkunden.

 

Biografie Ayele Argaw Denboba

Ayele Argaw Denboba studierte klinische Laborwissenschaften sowie der Tropen- und Infektionskrankheiten an der Universität Addis Abeba in Äthiopien. Er promovierte an der Universität Rom „Tor Vergata” in Italien mit einem Projekt über die Rolle von Retrotransposons bei der Krebsentstehung. Ab 2015 war er Postdoktorand an der Universität Rom „Tor Vergata” und wurde anschließend Postdoktorand im interdisziplinären Postdoktorandenprogramm EI3POD am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Rom, Italien, in Zusammenarbeit mit dem EMBL Heidelberg, Deutschland. Seine Forschung als Postdoc konzentrierte sich auf die Wechselwirkungen zwischen Darmmikrobiota und Keimbahn.

Seit August 2023 leitet Ayele Argaw Denboba die Forschungsgruppe „Microbiome-Epigenome Axis in Early Life Programming“ am MPI für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg.

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