Die Meister der SUMO-Ketten

Max Planck Forscher identifizieren eine neue Klasse von SUMO E3-Enzyme

2. November 2015

Forschern des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik (MPI-IE) in Freiburg ist es gelungen, eine neue Klasse von Enzymen zu identifizieren, die eine bedeutende Rolle bei der Sumoylierung spielen. Diese Art der Proteinmodifikation ist grundlegend für viele Zellprozesse, insbesondere für die Reaktion auf Stressreize. Die nun vorgelegte, detaillierte biochemische Analyse des Proteins ZNF451 weist nicht nur dessen Mitgliedschaft zur Klasse der SUMO E3-Enzyme nach, sondern beschreibt zugleich einen bisher unbekannten Mechanismus der E3-Enzymfunktion. Diese Ergebnisse vermitteln damit gleichzeitig neue Einblicke über den Zusammenbau sogenannter SUMO-Ketten. Zwei sich ergänzende Studien zu dieser neuen Enzymklasse wurden jetzt in Nature Structural & Molecular Biology veröffentlicht.

Proteinmodifikationen sind eine schnelle und effiziente Möglichkeit, die Funktionen und Eigenschaften des Proteinpools einer Zelle als Reaktion auf Umweltreize zu verändern. Eine bekannte Proteinmodifikation stellt die Sumoylierung dar, bei der kleine SUMO-Proteine (Small Ubiquitin related Modifier) an zu modifizierende Zielproteine gekoppelt werden. Die Sumoylierung regelt unterschiedliche Zellprozesse, wie beispielsweise die Transkription, die Replikation der Chromosomen oder ist relevant für die Reparatur von DNA-Schäden. Eine wichtige Rolle kommt der Sumoylierung zudem bei der Zellantwort auf unterschiedliche Stressreize zu. Da die Belastung durch Stress häufig das Auftreten zahlreicher Krankheiten, wie z. B. Krebs, mitverursacht, ist das Verständnis der grundlegenden Prinzipen der Proteinsumoylierung sowie die Identifikation der daran mitwirkenden Regulatoren sehr bedeutsam.

Die Bindung von SUMO an Zielproteine (Substrate) erfolgt in einem dreistufigen enzymatischen Prozess, an dem ein aktivierendes E1-Enzym, ein konjugierendes E2-Enzym und ein ligierendes E3-Enzym (lateinisch ligare ‚verbinden‘ oder ‚verketten‘) beteiligt sind. Dieses letzte Enzym wählt schließlich die Substrate aus und überträgt SUMO-Proteine auf diese. Obwohl mehrere tausend Proteine mit SUMO verändert werden, sind derzeit nur wenige E3-Enzyme bekannt. Nun ist es Forschern des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg zusammen mit Forschern der Universität von Ostfinnland in Kuopio sowie dem Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York gelungen eine neuen Familie dieser seltenen SUMO E3-Enzyme zu identifizieren und zu beschreiben: die ZNF451-Proteinfamilie.

Das ZNF451-Protein wurde bereits 2008 als ein Regulatorprotein für die Transkription von der Forschergruppe um Jorma Palvimo an der Universität Ostfinnland identifiziert. Palvimo vermutete bereits damals, dass es sich bei diesem Protein auch um ein E3-Enzym handeln könnte. So kontaktierte er Andrea Pichler, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut Freiburg und Expertin in der Analyse von E3-Ligasen. Pichler war sehr daran interessiert, das Protein auf dessen mögliche enzymatische Aktivität zu testen: „Die Erfahrungen, die mein Team und ich bei der Identifizierung und Erforschung anderer E3-Ligasen sammeln konnten, boten ein viel versprechendes Fundament. Trotzdem war es noch ein langer Weg bis uns der Nachweis der enzymatischen Aktivität gelungen ist.“

„Die größte Herausforderung war es, dass sich ZNF451 in vielen Experimenten nicht so verhielt wie dies E3-Enzyme üblicherweise tun. Normalerweise interagieren E3-Enzyme mit dem E2-Enzym, um einen effizienten Transfer des SUMO-Proteins zum Substrat zu gewährleisten (Fig. 2, linke Darstellung). Aber wir konnten diese Interaktion bei ZNF451 zunächst einfach nicht entdecken.“ sagt Nathalie Eisenhardt Co-Autorin der Studie. Doch nach intensiven biochemischen Analysen, die mit umfangreichen Studien zur Zellbiologie kombiniert wurden, konnte das Team um Andrea Pichler schließlich doch die enzymatische Aktivität des Proteins nachweisen. Nathalie Eisenhardt erklärt: „Im Falle von ZNF451 haben wir gelernt, dass ein zusätzliches SUMO-Protein für die Interaktion mit dem E2-Enzym benötigt wird. Dies stellt zugleich einen völlig neuen Mechanismus der Enzymaktivierung dar, den wir nun erstmals detailliert beschreiben konnten“ (Fig 2, mittlere Darstellung). Und Andrea Pichler fügt begeistert hinzu: „Aber da war noch mehr. Es zeigte sich, dass dieses zusätzlich benötigte SUMO-Protein auch eine Bindungstelle für die Verlängerung von SUMO Ketten darstellt (Fig. 2, rechte Darstellung). Diese Erkenntnis erlaubt uns neue Einblicke, wie SUMO Ketten zusammengebaut werden und deshalb tauften wir ZNF451 und seine verschiedenen verwandten Proteine auch ,Die Meister der SUMO-Ketten‘.“

SUMO-Ketten übernehmen wichtige Funktionen bei der Reaktion von Zellen auf verschiedene Stressstimuli (z. B. DNA-Schäden, Virusinfektionen, Hitzeschocks), was auf eine der möglichen biologischen Funktionen von ZNF451 hindeutet. Die Versuche des Labors von Andrea Pichler zeigen, dass ZelIen, denen ZNF451 fehlt, unter normalen Wachstumsbedingungen keine offensichtlichen Defekte aufweisen. Wenn diese allerdings unter Stress gesetzt werden, können die Zellen nicht mehr effizient Proteine mit SUMO modifizieren. Diese bemerkenswerte Erkenntnis eröffnet viele Wege für zukünftige Forschungen. „Wir sind nun daran interessiert, wesentliche Substrate der neuen E3-Ligasen-Familie zu identifizieren. Dabei möchten wir uns auf die Rolle der ZNF451-Familie bei durch Stress hervorgerufenen Erkrankungen konzentrieren. Wir können uns sehr gut vorstellen, dass diese neue Enzymklasse einen vielversprechenden Ansatzpunkt für die Medikamentenentwicklung darstellt“, sagt Andrea Pichler.

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