Die Max-Planck-Gesellschaft wird weiblicher

Drei Vizepräsidentinnen und ein Vizepräsident bilden das neue Spitzenteam. Damit sind auch im Verwaltungsrat die Frauen in der Mehrheit

22. Juni 2023

Mit der 74. Jahresversammlung in Göttingen hat nicht nur Patrick Cramer das Präsidentenamt für die nächsten sechs Jahre übernommen, sondern auch bei den Vizepräsidentschaften beginnt eine neue Amtsperiode mit neuen Gesichtern: Claudia Felser vom MPI für Chemische Physik fester Stoffe, Sibylle Günter vom MPI für Plasmaphysik, sowie Christian Doeller vom MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften kommen neu ins Amt, Asifa Akhtar vom MPI für Immunbiologie und Epigenetik hingegen tritt ihre zweite Amtszeit an.

Treiberin für Chancengerechtigkeit und Diversität

Bereits in ihrer ersten Amtszeit hat sich Asifa Akhtar für mehr Diversität und Chancengerechtigkeit in der Max-Planck-Gesellschaft eingesetzt. Als Leiterin der Präsidialkommission „Chancen” hat sie 2022 u. a. den Max-Planck Diversity-Excellence-Fonds ins Leben gerufen und sich im MPG-2030-Projekt dafür eingesetzt, dass es künftig an jedem Institut mindestens eine Direktorin geben wird. Für neue Direktor*innen ihrer Sektion hat sie das Mentoringprogramm „Welcome Guides“ eingeführt: „Bei ihrem Amtsantritt sind Neuberufene auf sich allein gestellt. Da ist es hilfreich, wenn sie sich mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen austauschen und so auch in der MPG besser vernetzen können“, so Akhtar. Außerdem liegt ihr der wissenschaftliche Nachwuchs am Herzen, weshalb sie sich für eine Überarbeitung des Lise-Meitner-Exzellenzprogramms und für die Einführung des neuen Programms Max Planck Careers starkgemacht hat.

Akhtars Engagement für Diversität und Chancengerechtigkeit hat sich auch jenseits von Max-Planck herumgesprochen: 2021 wurde sie von der Carl-Friedrich Geiger Stiftung mit dem Christa Šerić-Geiger Preis ausgezeichnet, der Frauen würdigt, die sich auf herausragende Weise in Wissenschaft, Bildung, Kultur, in sozialen Belangen oder für Gleichstellung verdient gemacht haben. 2023 erhält sie die amerikanische Ellis-Island-Ehrenmedaille. Die Auszeichnung ehrt Personen, die ihren Wissensschatz auch dafür einsetzen, benachteiligte Menschen zu unterstützen.

Anwendung und Technologietransfer im Blick

Mit Claudia Felser vertritt erstmals eine Frau die Chemisch-Physikalisch-Technische Sektion im Vizepräsidium. Die Direktorin der Abteilung Topologische Quantenchemie am MPI für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden befasst sich mit dem Design, der Synthese und der physikalischen Untersuchung neuer Quantenmaterialien, die in Computer- und Energietechnologien eingesetzt werden können. Mit ihrem sehr anwendungsnahen Forschungsfeld ist Felser bestens aufgestellt für das Thema Technologietransfer und Entrepreneurship. Von ihrem Vorgänger Klaus Blaum übernimmt sie u.a. den Vorsitz in der Jury für den Max-Planck-Gründungspreis des Stifterverbandes, der alle zwei Jahre an ein Start-up aus der MPG vergeben wird und mit einem Preisgeld von 50.000 Euro dotiert ist, und wird sich auch um das Munich Quantum Valley kümmern.

Seit 2011 ist sie Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft. Zuvor war sie an der Universität Mainz tätig, an der sie das erste NaT-LAB für Schülerinnen gründete und dafür 2001 den Landesverdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz erhielt. „Wir müssen Schülerinnen und Schüler frühzeitig an Forschung heranführen“, so die Chemikerin. Das langjährige Engagement der Max-Planck-Gesellschaft bei „Jugend forscht“ sieht sie entsprechend positiv.

Internationale und interdisziplinäre Vernetzung

Christian Doeller wurde 2018 als Direktor der Abteilung für Psychologie ans MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig berufen. Er möchte die Grundprinzipien identifizieren, die unseren höheren kognitiven Leistungen zugrunde liegen. Mithilfe von zwei Modellsystemen, nämlich dem menschlichen Gedächtnis und dem sogenannten neuronalen Code für Raum, geht er der Frage nach, welche grundlegenden Mechanismen im Gehirn menschliches Denken ermöglichen. Zudem ist er Professor für Medizin am Kavli-Institut in Trondheim, Norwegen, das von den Nobelpreisträgern May-Britt und Edvard Moser gegründet wurde. Bevor Doeller zu Max-Planck kam war er sechs Jahre Forschungsgruppenleiter und Associate Professor an der Radboud-Universität Nijmegen in den Niederlanden, ab 2016/2017 war er Direktor am Braathen-Kavli-Zentrum, das zum Kavli-Institut gehört. Darüber hinaus ist Doeller seit 2019 bzw. 2023 auch Honorarprofessor sowohl an der Universität Leipzig (für Psychologie) als auch an der Technischen Universität Dresden (für Kognitive Neurowissenschaften).

Doeller engagiert sich auch in wissenschaftspolitischen Initiativen. 2012 hat er die Young Academy of Europe (YAE) mitbegründet: „Unser Ziel ist es, die Wissenschaftspolitik zu beeinflussen und zur Entwicklung der europäischen Wissenschaftsagenda beizutragen“, erklärt er. „Ich glaube an die strategische Zusammenarbeit mit den führenden Wissenschaftsorganisationen weltweit, um die besten Köpfe und Ressourcen für unsere Forschung zusammenzubringen. In meiner neuen Rolle als Vizepräsident möchte ich außerdem interdisziplinäre Aktivitäten zwischen Instituten und über Sektionsgrenzen hinweg anregen, um Innovationen durch neuartige Kombinationen von Forschungsgebieten zu fördern.“

Sektionsübergreifende Aufgaben – vor allem die Digitalisierung

Sibylle Günter übernimmt als Vizepräsidentin sektionsübergreifende Aufgaben – ein Novum in der Max-Planck-Gesellschaft, die bisher immer nur drei wissenschaftliche Vizepräsident*innen kannte. Vom bisherigen Vizepräsidenten Klaus Blaum übernimmt sie in diesem Zusammenhang unter anderem die Verantwortung für die Weiterführung der Digitalisierungsinitiative in der Max-Planck-Gesellschaft: „Die begonnene Digitalisierungsinitiative ist eine große Aufgabe, die ich gemeinsam mit der Generalverwaltung und den Instituten voranbringen will“, sagt Günter. „Darüber hinaus gibt es aber viele weitere wichtige Themen. Ich möchte gemeinsam mit den Kollegen eine neue IT-Strategie der MPG erarbeiten, in der wir auch viele Fragen beispielsweise zur erforderlichen Ausstattung mit Rechentechnik oder zur IT-Sicherheit beantworten müssen.“

Mit „Großprojekten“ hat die studierte Physikerin hinreichend Erfahrung: Günters Forschungsinteresse gilt der Plasmaphysik und der Fusionsforschung. Das beschert ihr regelmäßig viel Aufmerksamkeit von Politik und Medien. In zwei Großexperimenten erforscht sie mithilfe verschiedener Konzepte, wie Energie nach dem Vorbild der Sonne durch Magnetfusion gewonnen werden kann. Günter wurde im Jahr 2000 als bis dahin jüngste Frau zum Wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin am IPP berufen. Sie ist nicht nur gefragtes Mitglied in wissenschaftlichen Organisationen wie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina oder der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, sondern auch in Wirtschaft und Gesellschaft.

Neue Mitglieder für Verwaltungsrat und Senat

Auch in den wichtigen Gremien der Max-Planck-Gesellschaft gibt es Neuerungen. Dem Verwaltungsrat gehören neben dem amtierenden Präsidenten und der Generalsekretärin auch die drei Vizepräsidentinnen ebenso wie der neue Vizepräsident an. Nicola Leibinger-Kammüller (Vorstandsvorsitzende des Maschinenbauunternehmens Trumpf) und Schatzmeister Ralf Thomas (Mitglied des Aufsichtsrats von Siemens Energy) stehen dem Verwaltungsrat für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung, neu hinzukommen Renate Köcher und Frank Appel. Köcher ist Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) und berät in dieser Funktion zahlreiche Aufsichtsräte von deutschen Unternehmen, aber auch die Gremien von Wissenschaftsorganisationen. Appel ist bereits seit 2017 Senator der Max-Planck-Gesellschaft. Der studierte Chemiker war zuletzt Vorstandsvorsitzender der Deutsche Post DHL Group und ist außerdem seit 2022 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Telekom AG.

Neue Senatorinnen und Senatoren

Neben den neuen Verwaltungsratsmitgliedern, die gleichzeitig auch zu Mitgliedern des Senats gewählt wurden, gibt es weitere 14 neue Senatorinnen und Senatoren von extern: Aus der Wissenschaft kommen Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts der Helmholtz-Gemeinschaft, Tanja Brühl, Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt, Alon Chen, Präsident des Weizmann Instituts und Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité. Aus der Wirtschaft stammen Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender der Sartorius AG, Melanie Maas-Brunner, Mitglied des Vorstands und Chief Technology Officer der BASF SE, Sabine Nikolaus, Vorsitzende der Geschäftsführung der Boehringer Ingelheim Deutschland GmbH sowie Joachim Wenning, Vorsitzender des Vorstands der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG. Außerdem wurden in den Senat gewählt die Bundestagsabgeordnete Anna Christmann von Bündnis 90/Die Grünen, der Präsident des Stifterverbandes, Michael Kaschke, die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg sowie der Geschäftsführende Redakteur der Wochenzeitung der ZEIT, Andreas Sentker. Stefan von Holtzbrinck, der die MPG schon in verschiedenen Ämtern begleitet hat (u.a. als Mitglied des Verwaltungsrats von 2008 bis 2020) und maßgeblich am Aufbau der Max-Planck-Förderstiftung beteiligt war, wurde zum Ehrensenator gewählt ebenso wie der vormalige Präsident Martin Stratmann.

 

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