Labor Dominic Grün

Labor Dominic Grün

Quantitative Einzelzellbiologie

Erhebliche Schwankungen der mRNA-Spiegel in Zellen des gleichen Typs sind in jedem bisher untersuchten Organismus beobachtet worden, von Bakterien und Hefen bis hin zu Säugetieren. Die Variabilität der Genexpression kann vielfältige Ursachen haben. Zum einen können extrinsische oder intrinsische Reize, beispielsweise aufgrund des Zellzyklus, metabolischer Schwankungen oder durch Differenzierungsereignisse, zu Transkriptomvariabilität zwischen Zellen führen. Darüberhinaus werden viele Gene vermutlich in Schüben anstatt mit einer konstanten Rate transkribiert, was zu wesentlichen Schwankungen der Transkriptzahlen in einzelnen Zellen führen kann, die gemeinhin als Genexpressionsrauschen bezeichnet werden. Genexpressionsvariabilität verursacht Schwankungen der Proteinspiegel und kann damit physiologische Unterschiede zwischen Zellen nach sich ziehen.

In einzelligen Organismen, wie Bakterien, Hefen und Viren wird das Genexpressionsrauschen ausgenutzt, um die Heterogenität der Population zu erhöhen und dadurch eine schnelle Anpassung an sich ändernde Umwelteinflüsse zu ermöglichen. In höheren Eukaryonten sind der Einfluss und die Regulation der Genexpressionsvariabilität nicht gut erforscht. Die Entwicklung eines mehrzelligen Organismus erfordert ein robustes Durchlaufen der Entwicklungsstadien mit räumlicher und zeitlicher Präzision. Obgleich die erforderlichen Zelldifferenzierungen eine koordinierte Änderung der mRNA-Spiegel in einzelnen Zellen erfordern, haben auch Gene in Säugetieren eine stark variierende, schubhafte Transkription. Das Ausmass des Genexpressionsrauschens in Säugerzellen ist vergleichbar mit einzelligen Systemen, d. h. mRNA-Spiegel unterscheiden sich häufig um mehr als das Zweifache zwischen Zellen des gleichen Typs. Allerdings sind die Rolle und die Regulation des Genexpressionsrauschens während der Zelldifferenzierung auf genomweiter Ebene weitgehend unerforscht.

In unserem Labor untersuchen wir, wie Stammzellen unter Einfluss von Genexpressionsrauschen ihren multipotenten Zustand robust aufrechterhalten und zuverlässig Differenzierungsprogramme mit räumlicher und zeitlicher Präzision ausführen. Wir schlagen ein Modell vor, in dem Stammzellen in verschiedenen metastabilen Zuständen existieren können, die durch subtile Transkriptommodulationen, charakteristisch für verschiedene Zelltypen, gekennzeichnet sind. Während Übergänge zwischen diesen Zuständen im multipotenten Stadium möglich sind, kann ein momentaner Zustand durch zufällige Schwankungen oder Signalisierungsereignisse verstärkt werden, was die terminale Differenzierung der Zelle in den korrespondierenden Zelltyp zur Folge hat. Wir erforschen die molekularen Mechanismen, die den Übergang vom multipotenten Stadium, das durch Plastizität gekennzeichnet ist, zu einem Zustand mit fixiertem Zellschicksal kontrollieren. Wir legen einen besonderen Fokus auf die Rolle des Genexpressionsrauschens in diesem Prozess.

 

Regulation von Genexpression in der Zelldifferenzierung

Um zu verstehen, wie die Genexpression während der Differenzierung einer Stammzelle in alle ihre Tochterzelltypen reguliert wird, muss man in der Lage sein, verschiedene Zelltypen zu unterscheiden, wie sie beispielsweise in einem Gewebe oder in einem Organ auftreten. Eine etablierte Methode ist die Purifizierung von Subpopulationen von Zellen basierend auf nur einer Handvoll von Markergenen. Diese Vorauswahl bringt allerdings starke Einschränkungen für die Auflösung unterschiedlicher Zelltypen mit sich. Außerdem verbirgt die Messung der Genexpression in Zellpopulationen die tatsächliche Verteilung der mRNA-Spiegel in einzelnen Zellen.

Einzelzellmessungen, auf der anderen Seite, offenbaren eine Stichprobe aller Zelltypen in einer komplexen Mischung. Das Transkriptom einer Zelle kann als ein Fingerabdruck angesehen werden, der die Identität der Zelle enthüllt. Wir messen die mRNA-Spiegel aller Gene ebenso wie andere molekulare Charakteristika, z. B. Chromatinstuktur, DNA-Methylierung und genomische DNA, in einzelnen Zellen. Basierend auf diesen Daten werden in unserem Labor computergestützte Methoden zur Identifizierung von Zelltypen und zur Vorhersage von Differenzierungspfaden entwickelt. Das Ziel besteht darin, hochauflösende Abstammungsbäume der Zelllinien abzuleiten und die Dynamik der Genexpression während der zellulären Differenzierung zu verstehen. Wir sind insbesondere daran interessiert, seltene Zelltypen zu identifizieren, da diese sehr schwer zu finden sind und oftmals eine wichtige Rolle spielen. Beispielsweise haben Stammzellen häufig einen sehr geringen Anteil an der Gesamtpopulation.

Dieser Ansatz wird es uns ermöglichen, Abstammungsbäume für Zelllinien de novo abzuleiten und aktuelle Modelle für die Zelldifferenzierung in gut untersuchten Systemen, wie beispielsweise dem Knochenmark, zu überprüfen. Darüberhinaus können Markergene für Zelltypen und -zustände mit hoher Genauigkeit identifiziert werden und somit die Purifizierung dieser Zellen gestatten. Diese Subpopulationen können dann mit klassischen populationsbasierten molekularbiologischen Methoden untersucht werden, um epigenetische Modifikationen der DNA und Transkriptionsfaktorbindungsstellen zu ​​messen. Das ultimative Ziel ist die Ableitung mechanistischer Modelle der Genregulation während der Differenzierung, indem wir diese populationsbasierten Messungen mit den Einzelzell-Genexpressionsdaten kombinieren.

Wir versuchen auch, die Auswirkungen der Mikroumgebung einer Zelle durch eine hochauflösende räumliche Genexpressionsanalyse zu erhellen. Zu diesem Zweck verwenden wir räumliche Transkriptomik und mikroskopische Analysen mittels smFISH.

 

Die Rolle des biologischen Genexpressionsrauschen während der Zelldifferenzierung

Ein besonderer Schwerpunkt des Labors liegt in der Erforschung der Bedeutung von Genexpressionsvariabilität während der Differenzierung. Es hat sich gezeigt, dass die Transkription von Genen oftmals kein kontinuierlicher Prozess ist, sondern in Schüben auftritt. Dies hat erhebliche Schwankungen der mRNA-Spiegel von Zelle zu Zelle zur Folge, und die Rolle dieses sogenannten biologischen Genexpressionsrauschens während der Zelldifferenzierung ist weitgehend unverstanden.

Bei der Zelldifferenzierung sollte es sich um einen robusten Vorgang handeln, der sich mit räumlicher und zeitlicher Präzision vollzieht. Daher ist es wahrscheinlich,  dass Mechanismen zur Kontrolle aber auch zur Nutzung des Genexpressionsrauschens existieren.

Mittels der Transkriptommessung in einzelnen Zellen in Verbindung mit populationsbasierten Methoden zur Untersuchung epigenetischer Modifikationen und von Transkriptionsfaktorbindestellen versuchen wir die Dynamik des Genexpressionsrauschens während der Zelldifferenzierung zu messen. Das Ziel ist es, ein tieferes Verständnis der Mechanismen zu erlangen, durch die das Genexpressionsrauschen reguliert wird.

Da Einzelzell-Sequenzierung nur eine begrenzte Sensitivität hat, verwenden wir ergänzend mikroskopische Verfahren zur Visualisierung einzelner mRNA Moleküle in der Zelle (single molecule fluorescent in situ hybridization). Diese Methode erlaubt es, die Genexpressionsvariabilität für einzelne Gene mit minimalem technischen Rauschen und hoher Empfindlichkeit zu untersuchen.

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