Überlebenskünstler

B-Zellen können ohne B-Zell-Rezeptor überleben

9. Februar 2016

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und des Instituts für Immunologie in Ulm forschen an den konkreten strukturellen Voraussetzungen für das Überleben von B-Zellen. Bisher ging man bei diesen für unsere Immunabwehr so wichtigen Zellen davon aus, dass sie ohne einen funktionierenden B-Zell-Antigen-Rezeptor (BCR) nicht lang überlebensfähig seien. Die Forscher um Dr. Elias Hobeika und Prof. Michael Reth konnten in Experimenten jedoch zeigen, dass einige B-Zellen auch ohne BCR überlebensfähig sind. Für diese Zellen ist jedoch ein funktionsfähiger, weiterer Rezeptor, der den sogenannten Überlebensfaktor BAFF an die B-Zelle bindet, unabdingbar.

B-Lymphozyten sind ein wichtiger Bestandteil unseres erworbenen Immunsystems. Sie bilden Antikörper, wenn sie durch körperfremde Antigene aktiviert werden. Entscheidend ist dabei die Ausbildung eines funktionierenden B-Zell-Rezeptors (BCR). Dieser liegt auf der Oberfläche der B-Zelle und ermöglicht das Erkennen der Antigene. Wird eine B-Zelle durch die Bindung eines fremden Antigens an ihren BCR aktiviert, differenziert sie sich im Folgenden zu Antikörper-produzierenden Plasmazellen, so dass die feindlichen Strukturen im Rahmen der Immunantwort bekämpft werden.

Das Team um Elias Hobeika und Michael Reth vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg sowie der Universitäten Freiburg und Ulm ist an der Erforschung der Organisation und Steuerung dieser Rezeptoren interessiert. Bisherige Untersuchungen gingen davon aus, dass B-Zell-Rezeptoren nicht nur unabdingbar für die Funktionsweise der B-Zellen, sondern auch für das Überleben bzw. den Erhalt reifer B-Zellen sind. Nun konnten die Forscher aber zeigen, dass unter bestimmten Umständen B-Zellen durchaus in der Lage sind, auch ohne BCR längere Zeit zu überleben.

In Zusammenarbeit mit Klaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin griffen die Wissenschaftler auf spezifische Mausstämme zurück, in denen die Ausbildung des BCR bei bereits ausgereiften B-Zellen manipuliert werden kann. Der auf der Zelloberfläche liegende Rezeptor besteht aus zwei identischen, schweren Proteinketten (engl. heavy chains, HC), zwei identischen leichten Proteinketten (engl. light chains, LC) sowie einer Signaleinheit bestehend aus den Proteinen Igα und Igβ (Abb. 1). Die Signaleinheit ist für die Übermittlung des extrazellulären Signals an die Zelle verantwortlich, das durch den Rezeptor aufgenommen wird. Von dort aus wird dann die entsprechende Immunantwort der Zelle koordiniert.

In den Versuchen der Forscher wurden nun einmal die schweren Proteinketten und einmal das Protein Igα des Rezeptors ausgeschaltet. In beiden Fällen verschwand der Rezeptor von der Zelloberfläche und die B-Zellen verloren ihre Funktion, Antigene zu erkennen. Jedoch zeigten sich unterschiedliche Überlebenschancen. „Als wir die beiden Gruppen überprüften, waren wir recht erstaunt“ sagt Elias Hobeika. „B-Zellen ohne die schweren Proteinketten starben wie erwartet. Die B-Zellen, bei denen Igα ausgeschaltet wurde, lebten jedoch weiter. Bei genauerer Untersuchung konnten wir feststellen, dass bei dieser Gruppe das Protein Igβ auf der Zelloberfläche blieb. (Fig. 2) 

Ebenso zeigten die Untersuchungen, dass für das Überleben der Zellen mit ausgeschaltetem Igα-Protein ein weiterer Rezeptor unabdingbar ist. Dieser Rezeptor ist bedeutsam für die Bindung des B-Zell-aktivierenden Faktors BAFF (engl. B cell activating factor). In verschiedenen Experimenten blockierten die Forscher dessen Funktion. „Die Ergebnisse legen nahe, dass der BAFF-Rezeptor das Überleben unserer untersuchten B-Zellen ohne Igα ermöglicht, wenn der B-Zell-Rezeptor ausfällt“, sagt Erstautorin der Studie, Ella Levit-Zerdoun.

Diese neuen Erkenntnisse können dazu beitragen, die Rolle von B-Zell-Rezeptoren bei Krebs besser zu verstehen. So wird das Fehlen des in der Studie untersuchten Igα mit einer schlechten Prognose bei einigen B-Zell-Tumoren in Verbindung gebracht. Das bessere Verständnis der Überlebensmechanismen von B-Zellen, so hoffen die Forscher, kann zukünftig dazu beitragen, neue Wege zu identifizieren, mit denen auf kranke B-Zellen Einfluss genommen werden kann.

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