Nina Cabezas-Wallscheid
Wissenschaft als Teamsport
Das Labor von Nina Cabezas-Wallscheid erforscht unser blutbildendes System und die Regulierung des Ruhezustands hämatopoetischer Stammzellen. Ihre Forschungen, die die sie im Themenfeld Leukämie begann, führten zu neuen Erkenntnissen darüber, wie Nahrungsbestandteile, etwa Vitamin A, das Schicksal von Stammzellen und die Gesundheit des Blutsystems beeinflussen können. In diesem Interview spricht Nina Cabezas-Wallscheid über Teamarbeit, transparente Kommunikation und wie ein wertschätzendes, unterstützendes Umfeld die nächste Generation von Forschenden hervorbringt. Nina hat den Kilimandscharo bestiegen. Aus dieser ganz besonderen Erfahrung zieht sie Parallelen zwischen dem wissenschaftlichen Arbeiten und dem Bergsteigen.
Bitte erzählen Sie uns etwas über die Forschung in Ihrem Labor und wie sich Ihr Forschungsschwerpunkt über die Jahre entwickelt hat?
In meinem Labor arbeiten wir daran, die Regulation des Ruhezustands hämatopoetischer Stammzellen zu verstehen – mit dem Ziel, das blutbildene System gesund zu erhalten. Wir sind besonders an interdisziplinären Projekten interessiert, die von der Analyse menschlicher Patientenproben bis hin zur Untersuchung diätetischer Behandlungsansätze reichen. Unsere Arbeit ist stark auf die Weiterentwicklung verschiedener Omics-Technologien, aufgrund der Seltenheit von Stammzellen, und bioinformatischer Werkzeuge ausgerichtet. Letztendlich ist es unser Ziel, Ernährungsstrategien zu entwickeln, im Wesentlichen die perfekte Diät, um auch auf Dauer ein gesundes blutbildendes System sicherzustellen.
Als ich promovierte, lag mein Fokus anfangs auf Leukämie. Später ging ich jedoch zu grundlegenden Fragen der gesunden Körperfunktionen über, um ein besseres Verständnis für die Regulation der hämatopoetischen Stammzellen zu gewinnen, bevor ich mich erneut der Leukämieforschung zuwandte. Eine spannende Entdeckung unseres Teams legte die Vermutung nahe, dass Ernährungsgewohnheiten – speziell der Konsum von Vitamin A – einen Einfluss auf Stammzellen haben könnten. Das führte dazu, dass wir die Rolle von Vitamin A genauer zu untersuchen begannen. Dabei stellten wir fest, wie bedeutend die Ernährung für die Funktion von Stammzellen und die Gesundheit unseres Blutsystems ist. Es war ein bisschen wie ein Dominoeffekt: unsere Forschung entwickelte sich Schritt für Schritt, wobei jede neue Erkenntnis die nächste vorantrieb und schließlich unsere aktuelle wissenschaftliche Ausrichtung formte.
Wenn Sie noch ein bisschen weiter in die Vergangenheit zurückgehen, war für Sie immer klar, dass Sie Wissenschaftlerin werden wollen?
Als Kind war ich immer von der Natur fasziniert, und ich mochte naturwissenschaftliche Experimentierkästen für Kinder, wie z. B. solche mit Mikroskopen oder Chemie-Sets. Es war jedoch nicht so, dass ich immer davon geträumt hätte, Wissenschaftlerin zu werden. Meine Interessen waren recht breit gefächert, und ich war mir nicht sicher, welchen Weg ich einschlagen sollte. Ich begann, Biotechnologie zu studieren, weil mich die damit verbundenen Herausforderungen reizten. Damals war die Biotechnologie in Spanien ein relativ neues Gebiet, fast niemand wusste, was das eigentlich ist. Aber der wirkliche "Wow"-Moment kam mit meiner Doktorandenzeit: Die praktische Arbeit im Labor und die Möglichkeit, eigene Experimente zu entwerfen, weckten eine ganz eigene Begeisterung in mir. Die Chance, Forscherinnen aus aller Welt zu begegnen und potenziell das Leben von Menschen zu verbessern, war ungemein inspirierend. Bis heute motiviert mich die Hoffnung, etwas zu entdecken, das eines Tages in der medizinischen Praxis Anwendung finden könnte.
Sie sind mit Ihrer Gruppe sehr erfolgreich - gibt es Dinge, von denen Sie glauben, dass sie entscheidend waren, um das zu erreichen, was Sie jetzt erreicht haben?
Wir wissen, da wir Ihnen auf Twitter folgen, dass Sie viel auf der ganzen Welt unterwegs sind, um Vorträge zu halten. Sind Sie noch aufgeregt, bevor Sie in einen Hörsaal gehen und Ihre Forschung präsentieren?
Immer. Also, die Minute davor, immer. Es ist aber super gewinnbringend, Forschungsergebnisse zu präsentieren. Denn man lernt immer etwas aus den verschiedenen Fragen, die man bekommt, je nachdem, wo man gerade ist. Durch die Fragen erhält man Input aus verschiedenen Fachgebieten und von verschiedenen Leuten. Die aufgeworfenen Themen diskutieren wir dann anschließend oft im Labor.
Wenn Sie zurückblicken, gibt es einen Rat, den Sie Ihrem jüngeren Ich geben würden: „Wenn ich das gewusst hätte, wäre das super hilfreich gewesen“?
Es gibt ein entscheidendes Detail, das mir nicht bewusst war: In Europa beginnt mit dem Datum der Verteidigung die Uhr zu ticken, denn es bedeutet den Beginn des Förderungszeitraums für viele Stipendien. Wenn man also vorhat, im akademischen Bereich zu bleiben, sollte man in Erwägung ziehen, die Dissertation so spät wie möglich zu verteidigen.
Haben Sie eine Strategie, die Ihrer Meinung nach für den Erfolg in einem wissenschaftlichen Umfeld wesentlich ist?
Beharrlich bleiben und eine positive Einstellung bewahren. Ich ziehe oft eine Parallele zu meinen Erfahrungen bei der Besteigung des Kilimandscharo. Die Luft ist so dünn in diesen extremen Höhen, dass man sprichwörtlich gezwungen ist, den Gipfel Schritt für Schritt anzugehen. Während man auf diesem beschwerlichen Weg unterwegs ist, stellt man diese ganze Anstrengung dann auch noch andauernd in Frage, vor allem, wenn man es, wie ich, als Hobby macht. Entscheidend ist jedoch, sich auf den Weg zu konzentrieren, der direkt vor einem liegt, und sich nicht mit anderen vergleichen, die scheinbar viel weiter sind. Denn das kann frustierend sein. Stattdessen sollte man versuchen jeden Augenblick zu genießen und beharrlich voranzugehen. Jeder kleine Schritt muss gefeiert werden, denn jeder Schritt ist ein Sieg für sich.