Kalina Swist-Rosowska

Wir wollen erforschen, was andere Menschen in ihren Daten ignorieren

In diesem Interview mit Kalina Swist-Rosowska können Sie die Geheimnisse des Heterochromatins mit einer Wissenschaftlerin kennenlernen, deren Neugierde in der Kindheit sie zu einer Karriere in der Wissenschaft motivierte. Erfahren Sie mehr über die aufregenden Entdeckungen im Labor und den Spagat zwischen Kindern und Forschung.

Erzählen Sie uns etwas über sich und Ihre Arbeit am Institut?

Ich arbeite in der Abteilung für Epigenetik von Thomas Jenuwein. Das Labor versucht zu verstehen, wie konstitutives Heterochromatin in Mäusen gebildet wird. Heterochromatin ist jener Teil des Genoms im Zellkerns, der eher kondensiert und nicht so zugänglich ist und daher auch nicht so stark exprimiert wird. Interessanterweise sehen wir Heterochromatin oft als einen mysteriösen, verschlossenen Bereich des Genoms an – vergleichbar mit der dunklen Seite des Mondes. In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen wird das, was im Genom repetitiv oder schwer zu sequenzieren ist, oft ignoriert und verworfen. Und unser Labor möchte eigentlich genau das untersuchen, was andere Leute ausblenden. Besonders faszinierend finden wir, dass diese inaktiven und verdichteten DNA-Abschnitte tatsächlich in der Lage sind, RNA zu produzieren. Die große Frage, die wir uns nun stellen, ist, welche Rolle diese RNA spielt, da sie trotz ihrer Verborgenheit in den Zellen in nennenswerter Menge vorhanden ist. Die Funktion dieser RNA kennen wir aber bisher noch nicht.

Was hat Sie motiviert, Wissenschaftlerin zu werden. Und welche Herausfordungen sind Ihnen auf dem Weg begegnet?

Es klingt vielleicht komisch, aber ich wusste schon als Kind, dass ich Wissenschaftlerin werden wollte. Die Vorstellung entstand aus meiner tiefen Neugier darauf zu verstehen, wie Dinge funktionieren – eine Neugier, die meine Eltern stets gefördert haben. Bildung war in meiner Familie mit viele Lehrerinnen und Lehrern immer ein zentrales Thema. Ich denke, diese Umgebung hat meine Lust am Entdecken nur noch verstärkt. Früh wurde mir klar, dass die Wissenschaft genau der richtige Weg für mich ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man nicht bereits alles über ein Feld wissen muss, um es zu erforschen. Das Lernen selbst macht uns zu Expert:innen. Wichtig ist nicht das Vorwissen, sondern die Leidenschaft für ein Thema. Wenn etwas unser Interesse weckt, sollten wir den Mut haben, es zu erkunden.

Wenn Sie an Ihre tägliche Arbeit im Labor denken, was gefällt Ihnen am meisten daran?

In der Wissenschaft besteht ein Großteil der Arbeit, schätzungsweise 60 bis 70 Prozent, darin, Experimente zu wagen, die oft scheitern. Manchmal liegt die Misserfolgsrate sogar noch höher. Doch dann kommt der Moment, in dem ein Experiment erfolgreich ist und die Daten genau die Frage beantworten, die ich lösen wollte. Und es gibt diesen besonderen Moment, in dem mir klar wird, dass ich wahrscheinlich die einzige Person auf der Welt bin, die diese Antwort kennt oder die etwas tatsächlich zum ersten Mal sieht oder zeigen kann. Das ist ein unglaubliches Gefühl und für mich durch keine andere Tätigkeit zu erreichen. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue ins Labor zu kommen. Kein Tag gleicht dem anderen, Langeweile ist ein Fremdwort. Es gibt ständig Neues zu entdecken, und die Liste potenzieller Entdeckungen scheint endlos. Genau das treibt mich an.

Sie ziehen seit Ihrer Promotion und später Postdoc-Zeit zwei Kinder groß. Wie haben Sie das geschafft?

Zuerst einmal ist mein Mann genauso engagiert bei der Kinderbetreuung wie ich und unterstützend in Bezug auf meine Karriere. Mein Chef ist sehr verständnisvoll und familienfreundlich. Zudem habe ich gelernt, mein Zeitmanagement effektiv zu gestalten: Wenn ich arbeite, konzentriere ich mich voll und ganz darauf; bin ich zu Hause, gilt meine ganze Aufmerksamkeit der Familie. Besonders als Frau spüre ich oft einen größeren Druck von außen. Erfahrungsgemäß wird in Notfällen meistens die Mutter und nicht der Vater kontaktiert.

Ein prägendes Erlebnis bezüglich der Vereinbarkeit war, als ich mein Kind eigentlich aus dem Kindergarten abholen musste, aber mein Experiment im Labor noch nicht abgeschlossen war. Mein Mann konnte erst am Abend helfen, also fuhren wir nachts zusammen ins Institut, damit ich das Experiment beenden konnte. Da ich zu der Zeit noch stillte, mussten sowohl mein Kind als auch mein Mann mitkommen und vor der Labortür warten. Solche Situationen sind natürlich die Ausnahme und nicht die Regel. Doch in diesem Fall hat sich alles gelohnt: Mein Kind war versorgt und satt, das Experiment gelang, und wir waren alle zufrieden.

Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Ich am Anfang einer wissenschaftlichen Karriere geben?

Man sollte nicht immer versuchen, alles perfekt nach den höchsten Standards zu Ende zu bringen, denn das ist nicht möglich. Man muss manchmal auswählen und dies dann so gut wie möglich machen. Nicht alles kann gleich wichtig sein. Man muss nicht alles zu 100 Prozent machen, um trotzdem sehr gut in dem zu sein, was man tut. Außerdem würde ich mir raten, weniger über mich zu urteilen und netter zu mir selbst zu sein. (lacht)

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