Hattrick in Freiburg

Drei Forscher des MPI für Immunbiologie und Epigenetik erhalten Millionenförderung vom Europäischen Forschungsrat

29. November 2018
Dominic Grün, Nicola Iovino und Ritwick Sawarkar vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik werden jeweils mit einem prestigeträchtigen Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet. Damit gehen in den kommenden fünf Jahren 6 Millionen Euro an Förderung in die Freiburger Grundlagenforschung.

Mit den Consolidator Grants unterstützt der Europäische Forschungsrat (ERC) exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ganz Europa. Im umkämpften Wettbewerb um die begehrten Förderungen haben sich in der aktuellen Ausschreibung gleich drei Wissenschaftler des Freiburger Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik (MPI-IE) durchsetzen können. Dominic Grün, Nicola Iovino und Ritwick Sawarkar erhalten für ihre Projektvorhaben jeweils rund 2 Millionen Euro.

„Die ERC-Förderungen sind ein wichtiger Indikator für die hohe Qualität der Max-Planck-Forschung hier in Freiburg. Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr mit insgesamt vier Projekten erfolgreich waren.“ Bereits im Juli konnte Valérie Hilgers ein ERC Starting Grant einwerben. „Dass in der aktuellen Ausschreibung gleich drei Wissenschaftler des Instituts eine EU-Förderung einwerben können, ist besonders bemerkenswert”, so der Geschäftsführende Direktor des MPI-IE Thomas Boehm.

Die nun gewährten EU-Förderungen werden in die Grundlagenforschung investiert, um so unterschiedliche Themen wie die Entwicklungsentscheidungen von Immunzellen oder die epigenetischen Mechanismen während der Keimzellbildung und Proteinfaltung zu erforschen.

Die geförderten Forschungsprojekte im Einzelnen:

Dominic Grün

Dominic Grün zählt zu den Pionieren der Einzelzellanalyse in Deutschland. Mit dieser noch jungen Technologie lässt sich die Aktivität von Genen in einzelnen Zellen bestimmen. Damit verfolgt der Freiburger Max-Planck-Gruppenleiter das Ziel, die Differenzierungspfade von Immunzellen und Leberzellen genauer zu kartieren. Auf dem Weg von der Stammzelle zu einer ausgewachsenen Zelle mit spezifischen Funktionen müssen Zellen zahlreiche Vorläuferstadien und viele Spezialisierungsschritte durchlaufen. „Es ist wichtig, nicht nur die reifen Zelltypen zu kennen, sondern alle Entwicklungsstadien, beginnend mit der Stammzelle,“, sagt Dominic Grün. Denn verschiedene Krankheiten, insbesondere Krebs, entstehen beispielsweise dadurch, dass Zellen ihre Entwicklung nicht bis zur Reife vollziehen und sich stattdessen in einem unreifen Stadium unkontrolliert vermehren.

„Wir sind besonders an den Regulationsmechanismen interessiert, die die Neigung einer Stammzelle für eine Reihe alternativer Zellschicksale steuern,“ sagt Dominic Grün. Dabei betrachten und analysieren die Forscher jede Zelle für sich und untersuchen deren Entwicklungswege von der Stammzelle bis zur ausgereiften Zelle. 

„Mithilfe der Einzelzellsequenzierung sind wir in der Lage, die Aktivität aller Gene im Genom von Tausenden von Zellen eines bestimmten Gewebes gleichzeitig zu analysieren,“ sagt Dominic Grün. Auf diese Weise erstellen die Forscher für jede Zelle eine Art Fingerabdruck, der es ihnen ermöglicht, die verschiedenen Zellzustände zu identifizieren. Diese Daten werden anschließend zu Entwicklungspfaden zusammengeführt. Kombiniert mit mikroskopischen Untersuchungen sind die Forscher zudem in der Lage, diese Zellzustände im Gewebe genau zu lokalisieren. 

Mit dem nun vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekt wollen Dominic Grün und sein Team in Freiburg Zellen des Knochenmarks untersuchen. Dabei interessieren sich die Wissenschaftler vor allem für die Frage, wie sich die Zellen bei der Entwicklung von hämatopoetischen Stammzellen bis zur reifen Immunzellen wechselseitig beeinflussen. Ein wichtiges Ziel ist es dabei, Störungen dieser Wechselwirkungen besser zu verstehen, da diese bösartige Erkrankungen des Blutes wie Leukämie verursachen können. Hierzu kombinieren die Forscher Studien im Mausmodell mit der Analyse von Knochenmarksproben von Patienten. „Die Anwendung unserer hochauflösenden Technologie auf das Knochenmark wird die Signale aufdecken, die die Differenzierung hämatopoetischer Stammzellen anregen, und uns helfen, die Störung dieses Prozesses bei Leukämie zu verstehen,“ erklärt Dominic Grün. So hoffen die Forscher herauszufinden, welche Zellen nach erfolgreicher Chemo- oder Strahlentherapie für die häufigen Rückfälle verantwortlich sind. Dadurch wird es möglich, so die Hoffnung der Forscher, einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung neuer maßgeschneiderter Therapien leisten zu können.

Nicola Iovino

Nicola Iovino leitet seit 2014 eine Forschungsgruppe am MPI-IE, die sich mit epigenetischen Mechanismen während der Bildung männlicher und weiblicher Keimzellen sowie während der frühen embryonalen Entwicklung beschäftigt. Epigenetische Mechanismen regulieren, wie eng verpackt, das heißt, wie viel oder wie wenig zugänglich einzelne Genombereiche in den Zellen sind. Das funktioniert durch die An- oder Abwesenheit bestimmter Proteine, die so das Ein- oder Ausschalten der Gene veranlassen. Die dabei entstehenden Muster aktiver und inaktiver DNA-Sequenzen geben der Zelle ihre Identität und steuern ihre Funktionen.

Im Gegensatz zu den feststehenden Buchstaben der DNA-Sequenz können sich epigenetische Modifikationen im Laufe des Lebens durch Umwelteinflüsse oder den jeweiligen Lebensstil verändern. Faktoren wie Stress, Krankheit oder Ernährung haben Einfluss auf das epigenetische Programm der Zellen. Lange Zeit wurde vermutet, dass die im Laufe des Lebens angesammelten epigenetischen Informationen – das Epigenom – während der Entwicklung von Spermien und Eizellen wieder gelöscht und nicht an die Nachkommen weitergegeben wird.

An dieser Vorstellung will das Team um Nicola Iovino rütteln. „Mithilfe der Fruchtfliege Drosophila konnten wir bereits zeigen, dass nicht nur DNA selbst, sondern auch bestimmte epigenetische Modifikationen von der Eizelle der Mutter auf den Embryo übertragen werden,“ sagt Nicola Iovino. Iovinos bahnbrechende Studie, kürzlich erschienen im Wissenschaftsjournal „Science“, zeigte zudem, dass die entdeckte epigenetische Modifikation mit dem Namen H3K27me3 auch für die Entwicklung des frühen Embryos wesentlich ist. Fehlte sie, waren die Embryos nicht überlebensfähig. 

Mit der europäischen Förderung können die Wissenschaftler in Iovinos Labor noch komplexere Fragen angehen. Sie wollen verstehen, wie die Zygote nach der Vereinigung von zwei hochspezialisierten Zelltypen (Spermium und Eizelle) Totipotenz erlangt und somit in der Lage ist, alle Zellen des Körpers zu bilden. Darüber hinaus interessiert sich das Labor von Nicola Iovino auch für die epigenetischen Mechanismen, die das noch ruhende Genom der Zygote aktivieren; mit dieser Aktivierung beginnt der Embryo sein eigenes Erbgut zu steuern und zu kontrollieren.

Diese Grundlagenforschung erlaubt umfassende Einblicke in zahlreiche entwicklungsbiologische und physiologische Vorgänge. Sie hat aber auch große Bedeutung für die menschliche Gesundheit. Dies gilt beispielsweise für die Prävention von Erbkrankheiten, die Verbesserung von Verfahren der künstlichen Befruchtung sowie die Stammzelltherapie.

Ritwick Sawarkar

Proteine sind an fast allen Vorgängen in lebenden Zellen beteiligt. Um ihre zahlreichen biologischen Funktionen erfüllen zu können, müssen die kettenartigen Moleküle in ihre korrekte dreidimensionale Struktur gefaltet werden. Nur so sind Proteine auch funktionsfähig. Gelingt dies nicht, oder verklumpen die Molekülketten, kann dies ernste Folgen haben. Fehler in der Proteinfaltung sind die Ursache von Krebs aber auch zahlreicher, vor allem altersabhängiger neurodegenerativer Erkrankungen, wie etwa Alzheimer oder Parkinson.

Der Prozess der Proteinfaltung wird durch sogenannten Chaperone überwacht, die wiederum selbst Proteine sind. Sie verhindern eine fehlerhafte Verklumpung während der Faltung und stabilisieren die Proteine. Spannenderweise wissen die Forscher, dass eine übermäßige Aktivität von Chaperone im Gehirn bereits ausreichend ist, um Neurodegeneration und entsprechend Krankheiten zu verzögern. So könnten Medikamente, die den Chaperone-Spiegel verändern, aussichtsreiche Therapieformen bei neurodegenerativen Erkrankungen darstellen.

Noch ist aber größtenteils unbekannt, wie die Chaperone in Neuronen reguliert werden, insbesondere während des Alterns. Hier setzt das nun vom europäischen Forschungsrat geförderte Projekt von Ritwick Sawarkar an. „Wenn wir die Steuerung der Chaperone verstehen, können wir vielleicht auch pharmakologisch in diese Regulation eingreifen und wären in der Lage, Krankheiten zu heilen, die durch Proteinfehlfaltungen verursacht werden,“ sagt Ritwick Sawarkar. Im Forschungsprojekt mit dem Namen „ChaperoneRegulome“ wollen die Freiburger Wissenschaftler mithilfe von Säugetiermodellen die zellulären Signalwege identifizieren, die den Chaperonen-Spiegel im Gehirn während des Alterns verändern.

Bisher ist bekannt, dass viele Chaperone auf der Ebene der Transkription kontrolliert werden. Dabei handelt es sich um die Phase der Genexpression, in der Gene der DNA abgelesen und in RNA umgeschrieben werden. Entsprechend vermuten die Forscher um Sawarkar, dass epigenetische Regulatoren, die diesen Prozess steuern, mögliche Ziele therapeutischer Intervention sein könnten. Da viele dieser Regulatoren bereits in die Krebstherapie gut erforscht sind, ist es denkbar, die dafür entwickelten, epigenetisch wirksamen Krebsmedikamente für neurodegenerative Erkrankungen „umzunutzen“. „Die Wirkungsmechanismen dieser Medikamente im Rahmen der Neurodegeneration zu finden, wird ein Schlüssel zu ihrer erfolgreichen Anwendung in Kliniken sein“, sagt Ritwick Sawarkar.

ERC Consolidator Grants

Die Consolidator Grants gehören zu den höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU, die an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben werden. Sie werden einmal jährlich verliehen. Die Europäische Union würdigt und unterstützt damit Forschende, die mit exzellenten Leistungen auf sich aufmerksam machen konnten. Die Auszeichnung wird durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) an herausragende Forschende aus aller Welt vergeben, die an einer europäischen Forschungsinstitution arbeiten und deren Promotion sieben bis zwölf Jahre zurückliegt. In der aktuellen Ausschreibung 2018 erhielten nach einem umfangreichen Antrags- und Evaluierungsverfahren 291 europäische Forscherinnen und Forscher eine Förderung durch den ERC, was bei 2389 eingegangenen Anträgen einer Erfolgsquote von ca. 12%  entspricht. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) war in der diesjährigen Zuwendungsrunde unter den erfolgreichsten Institutionen in Deutschland. Sechs ERC Consolidator Grants gingen an Wissenschaftler der MPG. Sie erhalten jeweils bis zu 2 Millionen Euro über eine Laufzeit von fünf Jahren für ihre Forschungsprojekte.

Die ERC-Förderung 2018 für Dominic Grün, Nicola Iovino und Ritwick Sawarkar unterstreicht erneut mit großer Deutlichkeit den Status des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik als wichtigen Standort europäischer Spitzenforschung. So konnten in den letzten Jahren bereits sechs Starting Grants von Freiburger Max-Planck Forschern eingeworben werden: Robert Schneider (2007), Andrew Pospisilik (2011), Patrick Heun (2012), Tim Lämmermann (2016), Nina Cabezas-Wallscheid (2017) und Valérie Hilgers (2018). Auch ein ERC Consolidator Grant ging bereits nach Freiburg und wurde 2015 an Andrew Pospisilik verliehen. Mit den zwei ERC Advanced Grants für Thomas Boehm (2012) und Michael Reth (2012) hat der Europäische Forschungsrat nun, Stand: 2018, bereits zwölf Mal Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts ausgezeichnet.

Über Dominic Grün

Dominic Grün, geboren in Bergisch Gladbach, studierte von 1998-2003 Theoretische Physik an der Universität zu Köln. Anschließend erfolgte 2006 die Promotion in Theoretischer Physik und Bioinformatik an den Universitäten in Köln und New York. Nach einigen Jahren außerwissenschaftlicher Tätigkeit in der Industrie war er von 2010 bis 2012 Post-Doc am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Biologie in Berlin sowie von 2012 bis 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hubrecht Institute in Utrecht in Niederlanden. Seit 2015 ist Dominic Grün Leiter der Forschungsgruppe „Quantitative Einzelzellbiologie“ am Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik.

Über Nicola Iovino

Nicola Iovino, geboren in Neapel, studierte Biologie an der Universität Federico II in Neapel. Von 2003 bis 2007 promovierte an der Rockefeller University in New York sowie an der Universität La Sapienza in Rom. Anschließend war er von 2007-2013 Post-Doc an der New Yorker Rockefeller University sowie am Institut de Génétique Humaine der Universität von Montpellier (IGH-CNRS) in Frankreich. Seit 2014 ist Nicola Iovino Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg in der Abteilung für Chromatinregulierung.

Über Ritwick Sawarkar

Ritwick Sawarkar, geboren in Mumbai, studierte Mikrobiologie an Bombay Universität in Mumbai und promovierte 2010 in Biologie am Indian Institute of Science in Bangalore, Indien. Anschließend war er Post-Doc an der ETH Zürich. Seit 2014 ist Ritwick Sawarkar unabhängiger Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg.

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